SAVONAROLAS

heimliche Zeitgenossen

Rezensionen

Written By: admin

Der Dominikanermönch Girolamo Savonarola nimmt als fanatischer Bußprediger Fra Girolamo, für einige Jahre die Macht in die eigene Hand und ihm gelingt es, die Medici aus Florenz zu vertreiben. Florenz in der Renaissance am Ausgang des 15. Jahrhunderts – das Zeitalter der ruhmreichen Herrschaft der Medici und ihrer Förderung der Künste.

Der 2004 verstorbene Autor (Professor für Kunstgeschichte) verbindet echte Zeitzeugnisse und Dokumente mit fiktiven Dialogen und Handlungen zu einem Gesamtbild des mittelalterlichen Florenz, wie es hätte sein können: der Erzähler hat in der Münchener Schellingstraße eine imaginäre Begegnung mit Fra Girolamo und taucht durchs Gespräch in die Welt des Mittelalters ein. Dort herrscht Aufruhr, auch für die Reichen und Mächtigen ist nichts mehr, wie es vorher war. Schließlich kulminiert der Strudel der Ereignisse in der Hinrichtung Savonarolas und seiner Verbrennung – eine neue Zeit bricht an.

Viele Begegnungen mit echten und imaginären, bekannten und weniger bekannten Zeitgenossen Savonarolas (u.v.a. Lorenzo de Medici, Mona Lisa und Lucrezia Borgia) lassen den Erzähler die Geschehnisse in Florenz aus immer neuen Perspektiven miterleben. Zusätzliche retrospektive “Dokumente” bringen weitere erhellende Ansichten zu Tage. Ausgewählte farbige Illustrationen von Karina Černá-Lobpreis sind eindrucksvoll in den dramatischen Ablauf eingefügt und geben Raum für weitergehende Imaginationen.

www.italianita.de – Dr. Ulrich Hondelmann

 

Nicht zufällig nennt Otto Kallscheuer den Volkstribun, Republikaner und Dominikaner Savonarola mit einem anderen politischen Intellektuellen und Reformer seines Jahrhunderts: Nikolaus von Kues alias Cusanus. Beide strebten eine Reform der Kirche und damit die politische Erneuerung Europas an, schreibt Kallscheuer, Cusanus “von oben” und Savonarola “von unten” – beide vergebens. Savonarola lebte ein knappes halbes Jahrhundert später als Cusanus, damals war Rom bereits ein Sündenbabel und kein Hort der Hoffnung mehr, was den puritanischen Prediger zu glühenden Reden wider den Machtmissbrauch durch die Kirchenoberen trieb. In diesen düsteren und apokalyptischen Visionen müsse man dennoch ein frühes Zeugnis “christlicher Bürgerfreiheit” erblicken, meint Kallscheuer. Savonarola setzte sich für die Demokratisierung und Unabhängigkeit der Stadtrepubliken ein, wofür er später mit dem Leben bezahlte.

Die Zeit vom 24.12.2002

 

Der Bußprediger Savonarola, meint der Rezensent Michael Stolleis, wäre ein würdigerer Kandidat zur Heiligsprechung als der Gründer von Opus Dei. Das sieht die Kirche, die ihn einst exkommunizierte, wohl nach wie vor anders. Der Band mit ausgewählten Predigten, Schriften und Briefen stellt, so Stolleis, die Wirkung des Kämpfers für die Sache Christi deutlich vor Augen. Savonarola plante eine Gottesstadt auf Erden, von der Florenz vor 1500 weit entfernt war, der Entwurf erweist sich als Exempel eines – keineswegs häretischen – “theologisch-utopischen Denkens”, dem alles strategische Vorgehen auf so entschiedene wie zuletzt tödliche Weise undenkbar blieb.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.10.2002

 

Das Emphatische des Titels hat der Rezensent Volker Breidecker auch in den Predigten Savonarolas gefunden, denen er “manch bezaubernde und auch drastische Nachrichten aus dem florentinischen Alltag” entnommen hat. Zu Anfang seiner Besprechung macht er den Leser zunächst mit der Geschichte des als Symbol des Fanatismus in die Annalen eingegangenen florentinischen Dominikanermönchs bekannt, stellt dann aber den Gegensatz zum Klischee heraus, der ihm bei der Lektüre dieser Schriftzeugnisse aufgefallen ist. Denn “bei aller Strenge der Aussagen besticht ein eigenwilliger, überaus sinnlicher, manchmal verträumter Ton”, schreibt Breidecker und findet, dass mit dieser Ausgabe ein erster Schritt “zur Entdämonisierung” Savonarolas getan ist.

Süddeutsche Zeitung vom 08.10.2002

 

Fra Girolamo Savonarola begann als Bußprediger. Er fesselte die Massen mit flammenden Reden und drohte ihnen plastisch das Strafgericht Gottes an. in seinem Eifer machte er auch vor der Lasterhaftigkeit der herrschenden Schicht und der kirchlichen Würdenträger nicht Halt. So kritisierte er besonders den lasterhaften Borgia-Pabst Alexander VI. und forderte ein Konzil zu Erneuerung der Kirche. Als Häretiker und Schismatiker angklagt und durch Folter zu Geständnissen gezwungen, endete Savonarola schließlich auf dem Scheiterhaufen. Dem Vernehmen nach will der Pabst seine Rehabilitierung und ein Seligsprechungsverfahren für den Dominikaner einleiten.

Passend nicht nur zur vorösterlichen Bußzeit, sondern auch zum 550. Geburtsjubiläum Savonarolas beschäftigte sich Dr. Hans-Wolfgang Freiherr von Löhneysen mit der Person und Lebensumgebung des berühmt-berüchtigten Mönchs. Der Autor, emeritierter Professor der Kunstgeschichte an der Berliner Hochschule der Künste, wo er von 1965 – 1982 wirkte, hat sich auch durch zahlreiche Abhandlungen zur Kunst- und Geistesgeschichte einen Namen gemacht.

Obwohl sich das Leben Savonarolas in besonderer Weise zur Darstellung eignet, ist das Buch weit mehr als eine biografische Annäherung. Es ist detailreiche, auf Quellen zurückgreifende Materialsammlung, aber auch phantasievolle Textcollage, in der der Leser auch Thomas Mann, den Medici und den Borgias begegnen kann. Auf weite Passagen spannend wie ein guter Roman beschreibt von Löhneysen dabei die herrschenden Verhältnisse in Florenz des ausgehenden 15. Jahrhunderts. Wer sich auf diese abwechslungsreiche literarische Zeitreise einzulassen bereit ist, wird feststellen, daß sich die beispiellosen Umwälzungen, die die Stadt am Arno vor gut 500 Jahren erlebte, mit den von vielen als rasanten Wertewandel erlebten aktuellen Entwicklungen unserer Tage durchaus vergleichen lassen.

Kirchenzeitung (Datum unbekannt)